1. Reden mit Menschen, die keinen Krebs haben
„Ich habe immer gedacht: Ein natürliches Miteinander gelingt, wenn du offen über deinen Krebs redest“, sagt Karen Abel. Doch das Gegenteil sei der Fall. Wenn sie erzähle, dass sie einen Podcast mache, werde sie oft interessiert gefragt: Worüber? „Über Krebs, sage ich, und dann gucke ich immer in erstarrte Gesichter.“ Die Erfahrung, dass das Thema den Menschen unangenehm ist, dass sie sich sogar vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn auf eine freundliche Frage mit einer lebensbedrohlichen Krankheit geantwortet wird, hat sie recht bald nach ihrer Diagnose gemacht. Dabei helfe aus Sicht einer Betroffenen schon die einfache Frage: ‚Was kann ich für dich tun‘, um sich auf einer guten Ebene miteinander zu unterhalten. Mitgefühl zeigen, statt Mitleid, nachfragen, aber nicht permanent über den Krebs reden – das wäre für Karen Abel am natürlichsten: Denn die Krankheit dürfe nicht zum alles beherrschenden Thema im Leben werden.
2. Reden mit Menschen, die Krebs haben
„Ich weiß, was du gerade durchmachst“: Der Austausch unter Betroffenen kann nicht hoch genug bewertet werden, so Karen Abel. „Die anderen wissen genau, wie sich alles anfühlt.“ Und doch lassen sich nicht alle über einen Kamm scheren: „Während viele junge Menschen ihre Erkrankung offen thematisieren, – auch in den sozialen Medien und verschiedenen Communitys – sprechen ältere Menschen kaum über den Krebs.“ Lange habe sie gedacht, Krebskranke seien alle gleich, schließlich säßen sie im selben Boot. „Das war natürlich ein Irrtum. Die Krebspatient:innen sind ganz normale Menschen in all ihrer Vielfalt – entsprechend geht auch jeder mit seiner Erkrankung anders um.“
3. Reden mit Ärzt*innen
Die Krebsdiagnose ist ein heikler Moment, in dem sich viele Patient:innen mehr Empathie von Seiten der Überbringer:innen wünschen: „Es ist ein massiver Unterschied, ob der Arzt einem sagt: ‚Das ist unheilbar‘, oder ob er sagt: ‚Das sieht nicht gut aus, aber wir tun, was wir können, und gemeinsam schaffen wir das‘“, sagt Karen Abel. Am besten wäre, jede:r Betroffene hätte in solch einem Moment einen Onko-Lotsen an der Seite, ein Konzept, das erst an wenigen Orten in Deutschland umgesetzt wird. Zumal es auch im weiteren Verlauf viele Informationen zu verarbeiten gibt: „Viele Patient:innen erzählen mir, wie sehr sie mit dem Konzept „shared decisions“ überfordert sind und sie sich wünschen, in so einer belastenden Situation stärker an die Hand genommen zu werden“, so Karen Abel.
Manche Betroffene sind allerdings mit der Zeit so gut informiert, dass sie auf Augenhöhe mit Behandler:innen kommunizieren oder diese gar auf neue Therapieoptionen aufmerksam machen können. Dass damit nicht jeder Arzt und jede Ärztin umgehen kann, hat Karen Abel selbst erlebt. Doch gute Kommunikation heißt auch bessere Heilungschancen – deshalb sollte das Potenzial, das in Kommunikation liegt, noch viel besser ausgeschöpft werden.
4. Reden der medizinischen Disziplinen untereinander
Zeitgemäße Krebsbehandlung braucht den Austausch verschiedenster Disziplinen. So genannte Tumorboards oder Tumorkonferenzen bringen Ärzt:innen verschiedener medizinischer Disziplinen zusammen, um über die jeweils beste Therapie zu entscheiden. Doch noch wird nicht jeder Einzelfall in einem Tumorboard besprochen – meist gibt es sie in spezialisierten Behandlungszentren an großen Kliniken. „Wir brauchen diese Vernetzung der Disziplinen dringend und dürfen Patient:innen nicht mehr zwischen einzelnen Akteuren hin und her schicken“, sagt Karen Abel. Dazu zähle auch, mehr über integrative Medizin zu sprechen, also über das Miteinander von konventioneller und komplementärer Medizin, und ein breiteres Angebot durch Psycho-Onkologen bereit zu stellen.
5. Lungenkrebs: Reden gegen das Tabu
Als sportliche Nichtraucherin Lungenkrebs bekommen? Ist möglich – bei Karen Abel war das der Fall. Doch gerade beim Thema Lungenkrebs klebe das Label „selber Schuld“ dran, treffe die Erkrankung doch besonders viele Rauchende. Karen Abel will die Schuldfrage endlich streichen. „20 Prozent der Lungenkrebsbetroffenen sind junge Nie- und Nichtraucher.“ Selbst unter Menschen mit Krebs werde die Erkrankung stigmatisiert – wie sie in einer Selbsthilfegruppe für junge Krebspatient:innen erfuhr: „Mir wurde keine einzige Frage gestellt.“ Hier hilft nur reden, reden, reden und dass alle aufeinander zugehen. Nicht zuletzt sei Rauchen – acht von zehn Lungenkrebs-Betroffenen haben geraucht – auch eine Erkrankung, eine Suchterkrankung. Karen Abel: „Kommunikation heißt, sich in der Mitte treffen und miteinander austauschen, das ermöglicht es, dass wir alle voneinander lernen.“
Karen Abel erhielt mit 48 Jahren die Diagnose „metastasierter Lungenkrebs“ und gründete 2019 den Podcast „Let’s talk about cancer“, um gegen Stigmatisierung und Informationsdefizite vorzugehen. Der Podcast hat mittlerweile fast 300.000 Streams.
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