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Impfen in Apotheken: Erfahrungen aus anderen Ländern

Impfen in Apotheken

 Impfen in der Apotheke: In Deutschland ist das aktuell gegen Grippe und Corona möglich. Über Erfahrungen aus anderen Ländern und den Beitrag, den Apotheken zur Vorsorge leisten können - ein Gespräch mit Ramin Heydarpour, Apotheker und Access-Manager bei Pfizer.

In vielen europäischen Ländern können sich Menschen in Apotheken impfen lassen. Wie sieht es in Deutschland aus?

Im Sommer 2022 wurde die Grippeschutzimpfung in Apotheken als reguläre Leistung für volljährige Personen eingeführt. Und im Januar 2023 wurde rechtlich die Möglichkeit geschaffen, in Apotheken auch Corona-Impfungen für Personen ab zwölf Jahren anzubieten. 

Wieso wurden die Grippeschutz-Modelle gemacht?

Im Deutschland lassen sich 43 Prozent der Menschen im Alter von 60 Jahren und älter gegen Grippe impfen. Die WHO empfiehlt allerdings eine Impfquote von 75 Prozent. Man wollte schauen, ob durch Apotheken-Impfungen die Zahlen steigen.

Kann man durch Apothekenimpfungen die Impfquoten steigern?

Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Es funktioniert. In Irland etwa impfen Apotheker:innen seit 2011 gegen Grippe. Dort ist die Zahl der Impfungen im gesamten Gesundheitssystem deutlich gestiegen, auch Allgemein:ärztinnen verzeichneten einen Anstieg um 8 Prozent. Auch in Ontario, Kanada, stieg die Grippe- und in den USA die Pneumokokken-Impfquote. In Frankreich darf seit Oktober 2019 landesweit in allen Apotheken geimpft werden. Das ebnete auch den Weg dafür, dass Apotheken mit Corona-Impfungen schon im März 2021 beginnen konnten, während es bei uns seit Februar 2022 geht. Seitdem kam es in Frankreich zu über 15 Millionen Impfungen in der Apotheke. Daher hat die oberste Gesundheitsbehörde Haute Autorité de Santé  (HAS) die Erweiterungen der Impfkompetenzen für Apotheker:innen empfohlen: Seit Ende 2022 können Apotheken dort alle Totimpfstoffe mit wenigen Ausnahmen verimpfen.

Und beim deutschen Grippeschutz-Modell?

Da zeigte sich der gleiche Effekt: Wenn Apotheken impfen, wird es für die Menschen einfacher, eine Impfung zu erhalten. Dann werden auch die angesprochen, die für eine Impfung nicht eigens einen Arzttermin ausmachen. Oft denkt man ja einfach nicht daran. Durch Impfapotheken wird das Thema plötzlich sichtbar. Das erklärt auch, warum mit Apothekenimpfungen – wie in Irland – auch die Impfungen bei Ärzt:innen ansteigen können: Das Bewusstsein für das Thema steigt.

Wie viel mehr Menschen sind in Deutschland durch Apothekenimpfungen zum Grippeschutz gekommen?

Das kann man bislang indirekt ablesen: In der Modellregion Nordrhein zum Beispiel - die Hälfte der Befragten gab dort an, sie hätten ohne dieses Angebot gänzlich auf die Impfung gegen Grippe verzichtet. 100 Prozent der Befragten bewerteten die von der Apotheke erhaltenen Informationen zur Impfung als gut oder sehr gut. Und 98 Prozent äußerten, dass sie sich auch oder wahrscheinlich gegen andere Erkrankungen in der Apotheke impfen lassen würden. Im Saarland würden neun von zehn erneut zur Apotheken-Impfung kommen.

Apotheker:innen sind nicht fürs Impfen ausgebildet – wie wird das gemacht?

Auf Basis eines Leitfadens der Bundesapothekerkammer und in Abstimmung mit dem Robert-Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut bzw. der Bundesärztekammer wurden Schulungen erstellt. Danach können Apotheker:innen dann entscheiden, welche Personen in der Apotheke gegen Influenza oder Covid-19 geimpft werden können und welche sich ärztlich beraten lassen sollten. Sie können die Menschen über die Impfung informieren und beraten, sie durchführen, dokumentieren und Notfallmaßnahmen bei akuten Impfreaktionen einleiten, die jedoch sehr selten vorkommen. Den praktischen Teil der Schulung vermittelt ein Arzt – er zeigt, wie die Impfung durchgeführt wird und bereitet die Apotheker:innen auf die Notfallmaßnahmen vor.

Welcher Nutzen würde sich ergeben, wenn alle Apotheken in Deutschland regulär Impfungen durchführen könnten?

Wären Impfungen bundesweit in Apotheken möglich, könnten etwa 7,55 Millionen Menschen zusätzlich gegen Grippeviren, Pneumokokken und FSME-Erreger geimpft werden, so eine Modellierung. Allein bei den Pneumokokken, die unter anderem Lungenentzündungen verursachen, könnten damit mindestens 20.487 Krankheitsfälle vermieden werden. Das bedeutet auch: Über 75.000 weniger verlorene Arbeitstage und 19,6 Millionen weniger Krankenhauskosten.

Ein Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich für das Jahr 2030 in Sachen Impfen in den Apotheken?

Was die Zukunft angeht, ist für mich unser Nachbar Frankreich Vorbild: Dort können in Apotheken seit Ende 2022 fast alle Totimpfstoffe verimpft werden. Kurzfristig wäre es hierzulande sinnvoll, die FSME-Impfung zu ermöglichen: Laut einer Umfrage des Deutschen Apotheken-Portals stehen Apothekerinnen und Apotheker für weitere Impfungen bereit, allen voran für die FSME-Impfung. Fast die Hälfte der Stadt- und Landkreise in Deutschland sind mittlerweile Risikogebiete, dennoch lag die FSME-Impfrate dort 2019 bei 18,4%.

99% der 2021gemeldeten FSME-Erkrankten waren nicht oder unzureichend geimpft. Niederschwellige Impfangebote in Apotheken könnten  einen Beitrag dafür leisten, dass sich diese Situation ändert. Apotheker:innen  haben auch beim Beratungsthema „Zecken“ viel Erfahrung und können im richtigen Moment, etwa beim Kauf von Repellentien oder Zeckenzangen, auf die Impfung hinweisen. Da die FSME-Impfung ganzjährig möglich ist, können die bis jetzt für die saisonalen Impfungen gegen Grippe und COVID-19 geschaffenen Räumlichkeiten der Apotheken ganzjährig genutzt werden. Es gibt also noch viel ungenutztes Potenzial!

 

Bild: Shutterstock

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