Ich kam über den Sport zum Self-Tracking. Nachdem ich versucht hatte, mich mit Kalender-Apps und To-do-Listen zu mehr Sport zu motivieren, habe ich festgestellt, dass mir Self-Tracking, also die Aufzeichnung meiner Aktivitäten und Erfolge, liegt. Zuerst habe ich meine Werte händisch in Apps eingetragen, dann kam die ersten Activity-Tracker, die meine Schritte und meinen Schlaf gemessen haben. Deren Feedback hat mich dazu motiviert, mehr zu gehen, und schon bald habe ich beschlossen, alle Orte, die ich innerhalb von 20 Minuten zu Fuß erreichen kann, zu erlaufen. So habe ich wiederentdeckt, wie gut mir körperliche Bewegung tut, und mein Pensum immer weiter gesteigert. Mittlerweile mache ich fünf Mal pro Woche Sport – im Wechsel Laufen, Radfahren und Krafttraining, und meine Apps und Gadgets motivieren mich auch hier und haben die Veränderung meiner Gewohnheiten unterstützt.
In den letzten Jahren hat sich mein Fokus vom Thema Motivation hin zur analytischen Nutzung von Daten verschoben. Dazu nutze ich Labor-Analysen wie Blut- und Genomtests, um meinen Stoffwechsel besser zu verstehen und optimieren zu können. Insbesondere interessieren mich mein Vitamin-D-Wert, das Verhältnis an Omega-3- und Omega-6- Fettsäuren und weitere Blutwerte. Durch eine Steigerung meiner Omega-3-Zufuhr kann ich die Belastungsfähigkeit meines Körpers beim Kraftsport steigern und mein langfristiges Risiko für Herzerkrankungen verringern. Erreicht habe ich dies durch vermehrten Konsum von Avocados, Walnüssen und Nahrungsergänzungsmittel.
„Durchs Selbstvermessen habe ich mich mehr und mehr mit Gesundheitsthemen beschäftigt.“
Self-Tracking funktioniert wie ein Spiegel, in dem man sich ganz neu sehen kann. Das ist für Sportler besonders reizvoll. Das ist aber auch für Patienten wichtig und kann auch für ganz normale gesunde Menschen sinnvoll sein. Durchs Selbstvermessen habe ich mich mehr und mehr mit Gesundheitsthemen beschäftigt. Ich bin Ingenieur und arbeite heute als Trendscout und Gesundheitsberater. Wichtig beim Self-Tracking ist eine entspannte, von Offenheit und Neugier geprägte Haltung. Dabei muss jeder seine eigenen Ziele und Maßstäbe entwickeln. Der Vergleich mit Freunden kann motivieren, entscheidend ist jedoch, dass man selbst mit seinen eigenen Werten und Leistungen zufrieden ist. Meine medizinischen Werte teile ich nicht mit Freunden, sondern, wo sinnvoll, mit Ärzten und anderen Experten, die mir helfen können, bessere Entscheidungen zu fällen.
„Im Moment versichern wir uns gegen das Kranksein. Warum nicht fürs Gesundsein?“
Wearables und andere digitale Präventionslösungen machen es Menschen einfacher, sich gesund zu verhalten. Leider sind sie typischerweise keine Kassenleistung. Im Moment versichern wir uns gegen das Kranksein. Warum nicht fürs Gesundsein? Dabei wäre es doch wünschenswert, dass es Menschen gelingt, gesundheitsschädliche Gewohnheiten wie zu wenig Bewegung und zu fettreiches Essen ablegen. Unterstützung hierbei in Form von wirksamen und günstigen digitalen Angeboten sollte von den Kassen bezahlt werden und nicht nur ein Privileg für diejenigen bleiben, die es sich leisten können.
„Wearables und digitale Patientenakten werden uns in einigen Jahren eine weitaus bessere Lebensqualität ermöglichen als dies heute der Fall ist.“
Viele Behandlungsfehler in Deutschland beruhen darauf, dass der Arzt kein vollständiges Bild vom Patienten hat. Daher ist es höchste Zeit, dass wir in Deutschland eine digitale Patientenakte einführen, wie es in den meisten anderen Ländern längst üblich ist. Diese verbessert den Austausch von Informationen unter dem medizinischen Fachpersonal und verbessert so die Qualität der Versorgung. Auch die von Patienten selbst erfassten Daten, werden in Zukunft eine wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung spielen. Langfristig betrachtet lassen sich daraus Trends ablesen, die auf eine Krankheit hindeuten können, wodurch eine schnellere Behandlung möglich wird. Aber auch in der Therapie und beim Coaching werden die selbsterfassten Daten zukünftig dazu führen, dass bessere Ergebnisse erzielt werden können. Zugleich stellen die Daten über die Gesundheit von Menschen auch ein enormes Potenzial für die Forschung dar. Wearables und digitale Patientenakten sind daher erst der Anfang und werden uns in einigen Jahren eine weitaus bessere Lebensqualität ermöglichen als dies heute der Fall ist.
Florian Schumacher ist Gründer der Quantified-Self-Bewegung in Deutschland und Digital Health Consultant in einer Münchner Unternehmensberatung.
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