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Blutkrebs: „Viel erreicht und noch viel zu tun“ Prof. Dr. med. Florian Heidel

 Ein Gespräch über den Fortschritt bei der Behandlung von Blutkrebs.

Herr Prof. Heidel, jährlich erkranken in Deutschland rund 10.000 Menschen an Blutkrebs. Wie sieht die aktuelle Behandlungssituation aus?

Heidel: Zunächst muss man festhalten, dass es viele verschiedene Formen von Blutkrebs gibt. Für spezielle Subtypen, zum Beispiel die Chronische Myeloische Leukämie (CML) existieren seit vielen Jahren zielgerichtete Therapien, die dazu führen, dass die Patienten die Lebensdauer ihrer gesunden Altersgenossen erreichen. Auf der anderen Seite gibt es beispielsweise bei den akuten Leukämien Fälle, die mit einer sehr schlechten Prognose einhergehen. Im Gegensatz zur CML sind hier die Genveränderungen und Chromosomenschäden, die in den Blut-Stammzellen auftreten, oft komplexer. Auch wenn sich diese Leukämien zunächst durch eine intensive Chemotherapie zurückdrängen lassen, ist doch die Rückfallrate sehr hoch, und diese Rezidive führen leider in der Mehrzahl zum Versterben der Patienten.

Sie haben gerade die gute Situation bei der CML angesprochen. Wie sah die Situation für die Patienten vor den zielgerichteten Therapien aus?

Heidel: Die CML ist die am längsten bekannte Blutkrebserkrankung. Die Erstbeschreibung der Leukämie durch Rudolf Virchow war eine chronische myeloische Leukämie, und in der Anfangszeit waren nur wenige Medikamente verfügbar. Diese hatten letztendlich nur die Zahl der bösartigen Zellen reduziert, aber nicht in die Biologie der erkrankten Zellen eingegriffen. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich das durch die Möglichkeit der Stammzelltransplantation auf der einen Seite sowie die Behandlung mit Interferonen auf der anderen Seite geändert. Aber auch hier war es so, dass unter Interferon nur ein begrenztes Ansprechen zu verzeichnen war. Und die Stammzelltransplantation ist auch heute noch (und damals noch viel mehr) eine sehr intensive und nebenwirkungsbelastete Therapie. Zusammenfassend war die Situation für die Patienten bis zum Jahr 2000 deutlich schlechter als heute. Mit der Entwicklung des ersten zielgerichteten Wirkstoffs – einem Hemmstoff der BCR-ABL-Kinase – haben sich die Überlebenschancen und auch die Behandlungsoptionen für diese Patienten deutlich verbessert.

Auch Kinder erkranken an Blutkrebs, bei ihnen sieht die Situation besser aus als bei Erwachsenen, richtig?

Heidel: Ja, das sieht deutlich besser aus als bei den Erwachsenen, aus verschiedenen Gründen. Zum einen ist das Leukämiespektrum ein anderes. Kinder erkranken am häufigsten an der Akuten Lymphoblastischen Leukämie, der ALL, die bei Erwachsenen die seltenere Variante der Akuten Leukämien ist. Zum zweiten vertragen Kinder die Behandlung wesentlich besser als das Erwachsene tun. Sie können wesentlich höhere Dosen von Medikamenten erhalten, die bei Erwachsenen zu starken Nebenwirkungen führen würden.

Es ist derzeit in der Krebstherapie viel von der Immuntherapie die Rede, welche Rolle spielt diese Behandlung bei den verschiedenen Blutkrebserkrankungen?

Heidel: Die Immuntherapie ist eigentlich seit 30 Jahren in der Hämatologie etabliert, speziell wenn wir von der allogenen* Stammzelltransplantation sprechen. Hier erhält der Krebspatient zunächst eine intensive Chemotherapie, mit der die eigene Blutbildung zerstört wird. Anschließend werden ihm Blutstammzellen eines Fremden, entweder eines Geschwisterspenders oder eines Fremdspenders, übertragen, die das Blutsystem wieder mit gesunden Zellen aufbauen sollen. Was die allogene Transplantation therapeutisch aber vor allem bewirkt, ist eine langdauernde Immunkontrolle der verbliebenen Krebszellen im Patienten: das heißt, das neue Immunsystem erkennt die Leukämiezellen als fremd und kann somit die verbliebenen Leukämiestammzellen ausmerzen bzw. langfristig kontrollieren.

Es gibt auch eine neue Entwicklung in der Immuntherapie, die bei einer bestimmten Leukämieform eingesetzt wird, die so genannten CAR-T-Cells.

Heidel: Ja, die Car-T- Cells sind eine sehr innovative Methode, bei der mit einem so genannten chimären Antigenrezeptor (CAR) Patienten-eigene T-Zellen genetisch verändert werden, um die malignen Zellen z.B. anhand ihrer Oberflächenmarker zu erkennen und abzutöten . Die ersten Studien haben bei einigen Patienten selbst nach mehreren Rückfällen zu beeindruckendem und zum Teil auch lang anhaltendem Ansprechen geführt. Ich halte das für die Zukunft sicher für eine vielversprechende Therapieoption.

Hat sich die Situation von Blutkrebspatienten insgesamt verbessert?

Heidel: Da muss ich wieder an den Anfang unseres Interviews verweisen: Blutkrebs ist nicht gleich Blutkrebs. Es hängt ganz stark davon ab, welcher Typ vorliegt. Aber es konnte auf jeden Fall bei vielen verschiedenen Blutkrebsarten eine ganze Menge erreicht werden. Wir können den Patienten heutzutage wesentlich mehr Therapieoptionen anbieten, und damit wenn auch nicht in allen Fällen eine Heilung, so doch oft eine längerfristige Kontrolle ihrer Krankheit ermöglichen.

 

*Bei einer sogenannten allogenen Stammzelltransplantation stammt das transplantierte Gewebe nicht vom Empfänger selbst, sondern von einem genetisch nicht-identlischen anderen Spender. 

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