Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht in der Klimakrise das grundlegende Gesundheitsproblem unserer Zeit. Mediziner verschiedenster Fachrichtungen beschreiben schon jetzt die Folgen von globaler Erwärmung, Extremwetterereignissen und Luftverschmutzung.
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Klimawandel und Gesundheit: Für viele Menschen sind das zwei Themen die nicht zusammenhängen. Wenn sie an den Klimawandel denken, kommen ihnen steigende Meeresspiegel und schmelzende Polkappen in den Sinn. Bei Gesundheit denken sie an… Doch tatsächlich wirkt sich der Klimawandel der Erde stark auf die Gesundheit des Menschen aus. Die Gesundheitsfolgen des Klimawandels werden seit 2016 durch Forschende im Lancet Countdown überwacht.
Schon seit 2015 gibt es „Planetary Health“. Das Konzept befasst sich mit der Mensch-Erde-Gesundheitsverbindung und bezieht dafür auch Folgen von Umweltverschmutzung und schwindender Biodiversität mit ein. Deutsche Wissenschaftler haben in einem Fachbuch nun den Wissensstand zum Thema gesammelt. Es zeigt sich über alle Fachdisziplinen hinweg: Die Klima- und Umweltveränderungen haben auch in Deutschland massive Gesundheitskonsequenzen.
Diese 2 Dinge beeinflussen Klimawandel und Gesundheit
91 Prozent aller Todesfälle in Deutschland gehen auf nicht-übertragbare Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes zurück. Hinter diesen Krankheiten und dem Klimawandel stecken zwei systemische Treiber: die heutige Ernährungsproduktion und -art sowie die heutige Mobilität. Beides schadet in der jetzigen Form der Umwelt, dem Klima und auch unserer Gesundheit.
Wie Ernährung und Klimawandel zusammenhängen
Ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen ist der Nahrungsmittelproduktion geschuldet, die in ihrer heutigen Form auch den Verlust der Biodiversität und der natürlichen Lebensräume vorantreibt. Zugleich verleitet sie zu einem Überkonsum von verarbeiteten, energiereichen und häufig auf tierischen Produkten basierenden Nahrungsmitteln.
Warum unsere Mobilität unserer Gesundheit und dem Klima schadet
Die aktuell überwiegend auf fossilen Brennstoffen basierende Mobilität macht viele Menschen zu Bewegungsmuffeln; gleichzeitig steigert sie die gesundheitsschädliche Luftverschmutzung und Lärmbelästigung. Zurzeit geht ein Viertel des CO2-Fußabdrucks der EU auf den Fahrzeugverkehr zurück; er ist gleichzeitig die Hauptquelle für die städtische Luftverschmutzung.
Wie die steigende Hitze unsere Gesundheit beeinflusst
Die Erhöhung der Durchschnittstemperatur durch die Treibhausgasemissionen bringt Deutschland zunehmend Hitzewellen. Im Zuge dieser sterben mehr Menschen: In den Hitze-Sommern 2003, 2010 und 2015 wurden 7.800, 4.700 und 5.200 mehr Tote gezählt als in Sommern anderer Jahre. Besonders gefährdet sind Ältere, da ihre Thermoregulation nicht mehr so gut funktioniert und sie häufig Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.
Allein von 2000 bis 2018 sind die Todesfälle aufgrund von Hitze bei über 65jährigen weltweit um fast 54 Prozent gestiegen.
In Städten als Wärmeinseln ist die Hitzegefahr besonders groß: Berliner Krankenhäuser haben zum Beispielmehr Aufnahmen von Patient:innen mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), wenn die Temperatur nachts nicht mehr unter 18 Grad Celsius sinkt. Hitzestress kann zudem die Lungenfunktion COPD oder Asthma verschlechtern und auch zu schweren Nierenschäden führen.
Durch den Klimawandel riskieren wir mehr Infektionskrankheiten
Durch wärmere Temperaturen sind Erreger oder Überträger bereits bekannter Erkrankungen länger aktiv und dringen in neue Gebiete vor. In Deutschland haben sich etwa durch hohe Wassertemperaturen Vibrionen-Bakterien zuletzt in der Nord- und Ostsee stark vermehrt und Wundinfektionen hervorgerufen, die zu mitunter einer schwerwiegenden Sepsis führen können.
Seit Jahren breitet sich zudem das von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)-Virus immer weiter in nördlichere gelegene Gebiete vor. Auch die Tigermücke ist auf dem Vormarsch. Sie gilt als potenzieller Überträger von Viren und Bakterien, die Tropenkrankheiten wie die Zika-Erkrankung, Denguefieber oder das Chikungunya-Fieber auslösen kann.
Schwindende Biodiversität und eine intensivierte Nutztierhaltung bringen zudem Menschen enger mit Tieren in Kontakt. Neue Erreger von Infektionskrankheiten können so leichter auf den Menschen überspringen und sich so Zoonosen weltweit verbreiten.
So führt Luftverschmutzung zu Krankheiten
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts und des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz schätzen, dass in Europa jährlich 800.000 Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung sterben, zum Beispiel durch Feinstaub, Ozon und Stickoxide. Diese verursacht eine Vielzahl von Atem-, Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verringert die durchschnittliche Lebenserwartung der Europäer um 2,2 Jahre.
Besonders tückisch ist Feinstaub: Kleinere Partikel durchdringen leichter die Lungen und gelangen so leichter in die Blutbahn. Hier können sie den Prozess der Gefäßverkalkung auslösen beziehungsweise sein Fortschreiten fördern. Laut ‚Lancet Countdown 2020‘ hat die Exposition gegenüber Feinstaub mit Partikeln kleiner als 2,5 Mikrometern im Jahr 2018 in Deutschland 48.700 vorzeitige Todesfälle verursacht.
Weiter zeigen Studien, dass ein Zusammenhang zwischen sehr hohen Stickstoffdioxid-Konzentrationen in der Luft und einem Auftreten von Morbus Crohn vor dem 23. Lebensjahr besteht. Ebenso müssen bei hoher Luftverschmutzung Erwachsene mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen öfter ins Krankenhaus. Und in Duisburg ist das Risiko, an einer chronischen Sinusitis zu erkranken, doppelt so hoch wie im ländlichen Brandenburg.
Allergien kommen durch den Klimawandel häufiger vor und werden schlimmer
Der Klimawandel und die Umweltverschmutzung haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen an Allergien erkranken und auch stärker unter diesen leiden. Die Gründe: Durch die wärmeren Temperaturen dauert die Pollensaison länger – allein Hasel und Erle blühen in Deutschland heute bis zu 26 Tage früher als in den 1960igern.
Umweltschadstoffe führen gleichzeitig dazu, dass Pflanzen mehr Pollen produzieren und diese selbst durch eine Stress-Reaktion auf Ozon, Feinstaub und CO2 aggressiver werden. Neue eingeschleppte Arten sorgen für noch mehr Probleme – etwa die Ambrosia, die starke allergische und insbesondere asthmatische Beschwerden verursacht.
Immer öfter werden in Europa auch vermehrt Asthmanotfälle bei hohen Pollenflugkonzentrationen und Gewittern beobachtet. Da der Klimawandel beides fördert, könnte dieses „Gewitterasthma“ zukünftig noch zu einer größeren Gesundheitsgefahr werden.
Auch die Psyche leidet unter dem Klimawandel
Auch die psychische Gesundheit wird durch den Klimawandel beeinträchtigt. Extremwetterereignisse wie Fluten mit Folgen wie dem Verlust von Angehörigen oder dem eigenen Besitz können posttraumatische Belastungsstörungen auslösen. Anhaltende Dürren bedrohen Existenzen, zum Beispiel von Landwirten. Man weiß bereits, dass während Hitzewellen Suizidraten und Krankenhauseinweisungen aufgrund von psychischen Gesundheitsproblemen steigen.
Planetary Health: Das Konzept für einen gesunden Planeten
Das Konzept „Planetary Health“ macht deutlich: Nahezu alle Aspekte von Gesundheit werden durch von den Menschen verursachte Umweltveränderungen beeinflusst. Alle Ökosysteme sind miteinander verbunden und hängen voneinander ab. Wollen die Menschen gesund sein, müssen sie die Erde gesund halten oder wieder machen. Klima- und Umweltschutz ist deshalb laut „Planetary Health“ auch Gesundheitsschutz.
Planetary Health Diet für Menschen und die Erde
Einen großen Hebel, um unseren Planeten und auch die Menschen gesünder zu machen, sehen Experten neben der Reduktion von CO2-Emmissionen in der Neuausrichtung von Landwirtschaft und Ernährung. Deshalb wurde 2019 von Wissenschaftlern, die in der EAT-Lancet-Kommission zusammenarbeit(et)en, der Vorschlag einer Planetary Health Diet erarbeitet.
Es ist die Vision einer Ernährung, die gleichermaßen die Gesundheit des Menschen wie des Planeten schützt. Ihr Herzstück ist die Umstellung in Richtung einer fleischarmen, vorwiegend pflanzlichen Ernährung mit pflanzenbasierten Proteinquellen wie Hülsenfrüchten, viel Obst und Gemüse. Das würde nicht nur den Flächenbedarf, sondern auch den Methanausstoß in der Tierhaltung drastisch reduzieren.
Außerdem vermindert es den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung, was wiederum Antibiotiaresistenzen von Bakterien befördert. Mit der Planetary Health Diet könnten könnten bis zu 11 Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich weltweit vermieden werden.
Buchtipp Claudia Traidl-Hoffmann (Hrsg.), Christian Schulz (Hrsg.), Martin Herrmann (Hrsg.), Babette Simon (Hrsg.): Planetary Health - Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän. Medizinisch-Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 362 Seiten, 59,95 Euro.
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