Daten sind der Treibstoff für den Fortschritt - sie liefern Informationen, gute und aggregierte Daten schaffen Wissen, angewandtes Wissen führt zu Fortschritt – um Krankheiten zu vermeiden oder sie effektiver zu behandeln. Wofür Pfizer Daten nutzt, erklärt Thomas Kleine, Country Lead Pfizer Digital Deutschland.
„Wir haben einen bislang einzigartigen Real World-Datenschatz vor uns, von dem Menschen weltweit profitieren.“
Herr Kleine, woran forscht Pfizer mit den Daten aus Israel?
Wir forschen zusammen mit unserem Partner BioNTech daran, die Schutzwirkung unseres Impfstoffs kontinuierlich zu monitoren – und, wenn das notwendig sein sollte, auch anzupassen. Was wir sehen ist, dass wir hier einen bislang einzigartigen Real World-Datenschatz vor uns haben, von dem derzeit alle profitieren. Denn ihre Analyse lässt wichtige Rückschlüsse auf die aktuellen Entwicklungen der Immunität, der Exposition und der Schutzwirkung der Impfungen zu. Ebenso haben die Daten gezeigt, welches Impfschema optimal ist, welche Nebenwirkungen in welcher Kohorte auftreten und nicht zuletzt die nachhaltige Wirksamkeit von Booster-Impfungen.
Wie verändert Technik die Analyse von Daten zur Entwicklung von Arzneimitteln?
Wir sind mit einem exponentiellen Wachstum an Daten konfrontiert, und der technologische Fortschritt bietet uns die Möglichkeit, diese Daten auch mit großer Geschwindigkeit zu analysieren. Real World Data können die Daten, die wir in herkömmlichen Studien sammeln, ergänzen. In den USA arbeiten wir beispielsweise im Bereich der Onkologie mit dem Unternehmen Flatiron zusammen. Die Daten, die als Grundlage dienen, stammen aus über 280 auf Krebserkrankungen spezialisierten Behandlungseinrichtungen sowie sieben großen akademischen Forschungszentren.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz dabei?
KI spielt eine ganz wesentliche Rolle. Beim klinischen Programm des Impfstoffs gegen Covid-19 hat uns Machine Learning an wichtigen Stellen viel Zeit erspart. So haben wir beispielsweise mittels einer KI-Lösung den Prozess der Datenbereinigung im Rahmen der großen Phase II/III Studie mit über 40.000 Teilnehmern von normalerweise 30 Tagen auf unter einen Tag reduzieren können. In der gleichen Studie haben wir KI eingesetzt, um das Design unserer klinischen Studienprotokolle mit einem Ansatz namens Semantic Search zu beschleunigen, welcher nach Bedeutung und nicht nach syntaktischen Wortübereinstimmungen sucht.
Mit KI gegen Krebs
Optima, eine europäische öffentlich-privaten Partnerschaft, die von Universitäten, Forschungseinrichtungen und pharmazeutischen Unternehmen getragen wird, arbeitet an einem europäischen Datenhaus. Auf Basis von Versorgungsdaten lassen sich mit Hilfe von KI Muster erkennen und eine möglichst optimale Behandlungsstrategie herauslesen. Diese können dann Entscheidungshilfe für Ärztinnen und Ärzte sein. Lesen Sie hier mehr dazu.
Und in der Forschung?
Auch hier erhöht künstliche Intelligenz das Tempo. KI ermöglicht eine schnellere Wirkstofffindung beziehungsweise können Wirkstoff-Kombinationen effizienter modelliert werden. Innerhalb weniger Tage lässt sich durch ein Verfahren, das künstliche Intelligenz und Cloud-Computing nutzt, die 3-D-Struktur eines Wirkstoffmoleküls errechnen. Am Ergebnis lassen sich seine mechanischen und chemischen Eigenschaften wie Form, Löslichkeit und Schmelzpunkt sowie seine Bindung an einen Proteinrezeptor vorhersagen. Ohne diese Technologie brauchen Forscher dafür Monate.
Ohne Technologie, ohne KI also keine neuen Arzneimittel?
Der alleinige Blick auf die Technik ist sicher zu kurz gefasst. Damit künstliche Intelligenz interessante Ergebnisse liefert, muss sie mit den richtigen Daten „gefüttert“, gut trainiert und dann schließlich mit den richtigen Fragestellungen unterwegs sein. Diese Fähigkeiten haben nur SpezialistInnen. Daher setzen wir sehr stark darauf, diese Kompetenzen in unserem Unternehmen auszubauen.
„Weil die Prozesse hier sehr komplex und langsam sind, werden globale Studienvorhaben mehr und mehr ohne Studien in Deutschland geplant.“
Wie wird Deutschland in Punkto Daten und Datenschutz eigentlich von Ihren KollegInnen weltweit wahrgenommen?
Deutschland wird vor allem als „kompliziert“ bzw. „over-engineered“ wahrgenommen, was ja auch nicht verwundert: Wir haben 16 Landesdatenschutzgesetze und ein Bundesdatenschutzgesetz. Darüber hinaus 52 Ethikkommissionen, 17 Datenschutzbehörden und 29 Überwachungsbehörden der Länder, die klinischen Studien zustimmen müssen beziehungsweise diese überwachen. Dabei sind sie meist nicht miteinander harmonisiert. Das macht Prozesse sehr komplex und bremst. Daher ist es tatsächlich so, dass unsere KollegInnen in New York, die globale Studienvorhaben planen, Deutschland nicht unbedingt präferieren.
Das hört sich nach Wettbewerbsnachteilen an?
Das ist so, ganz klar. Und am Datenschutz allein liegt es auch bei Weitem nicht. Das zeigen einige unserer Nachbarländer, die denselben europäischen Datenschutzregelungen unterliegen. Wir müssen jetzt schnell vorankommen, um nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten: das gilt für den eingeschlagenen Weg der Digitalisierung - ePA, eRezept, Telemedizin genauso für wie für harmonisierte regulatorische Abläufe und größere Flexibilität: öffentliche und private Forschung so strikt trennen ist nicht mehr zeitgemäß. Auch privaten Industrie sollte in den Kreis der antragstellenden Akteure bei Forschungsdatenzentren aufgenommen werden. Schließlich erfolgt die Forschung ja auch gemeinsam.
Drei gute Gründe, warum Pfizer an anonymisierten Patientendaten und mit KI forscht
- Besseren Einblick in die Versorgungslage und die Therapieeffizienz: Weil sich aus Routinedaten von Krankenkassen wichtige Erkenntnisse zum Therapiebedarf beziehungsweise zum Nutzen von Menschen mit bestimmten Erkrankungen oder Risiken ziehen lassen
- Verbesserte Arzneimittelentwicklung: Real World Data können die Daten aus klinischen Studien ergänzen.
- Den medizinischen Fortschritt von morgen in Kooperationen schaffen. Weil KI und Quantenphysik die Forschung beschleunigen. Quelle Grafik: BDI
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