Ob Gesundheitsbereich, Politik, Wirtschaft oder privates Leben – die Covid-19-Pandemie hat uns auf Neuland geworfen: Wir mussten handeln, ohne genau zu wissen. Nun, mehr als zwei Jahre später, gibt es eine Fülle an wertvollen Einsichten.
Um diesen Erfahrungsschatz zu heben und daraus Lehren für die die Zukunft des Gesundheitssystems zu ziehen, hat das Pharmaunternehmen Pfizer gemeinsam mit FAS-Research 80 Expert:innen des Gesundheits- und Sozialwesens befragt. Sie berichteten, was uns in der Krise stärkte und was uns schwächte.
Dabei folgten die Gespräche dem Schneeballprinzip – Interviewte benannten selbst weitere Gesprächspartner:innen, vor allem solche, die einen besonderen Blick aufs Geschehen haben. Aus den gesammelten Einsichten wurden schließlich zwölf Schlüsselerkenntnisse destilliert, die nun in der qualitativen Studie 12 Resilienzfaktoren für ein agiles und robustes Gesundheitssystem der Zukunft publiziert sind. Hier stellen wir sieben der zwölf „Learnings“ vor.
1 Im Krisenfall schnell umschalten
Im Frühjahr 2020 mussten Krankenhäuser komplett umorganisiert werden – Notfallkapazitäten gesteigert, planbare OPs abgesagt, Besucherregelungen eingeschränkt und kontrolliert werden: Ermöglicht wurde das durch gute Organisation und exzellent ausgebildete Beschäftigte im Gesundheitssektor.
Für die Zukunft gilt: Neben Krisenplänen und Trainings, die das schnelle Reagieren erleichtern, müssen wir vor allem dafür sorgen, dass uns unser hochprofessionelles Gesundheitspersonal erhalten bleibt. Heißt: bessere Arbeitsbedingungen und bessere Rahmenbedingungen für die Ausbildung. Dies ist umso wichtiger, als viele Beschäftigte im Zuge der Pandemie ihrem Beruf den Rücken gekehrt haben.
2 Daten zum Schutz einsetzen
Der Verzicht auf Datenerfassung und Datenaustausch ist besonders in einer Krise gravierend. Wir wussten nicht, wo genau die Menschen sich angesteckt haben, wir wussten zu spät, wo Hotspots entstehen, wir sammelten auch keine Daten über medizinische Verläufe der Covid-19-Infektion.
Das hatte seinen Preis: mehr Infektionen, ein unklareres Infektionsgeschehen, längere Lockdowns und mehr eigentlich vermeidbare Todesfälle. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für den Wert von Daten. Wir müssen unsere Kultur des Datenschutzes um die Kultur einer transparenten und sinnvollen Datennutzung erweitern.
3 Gesundheitsämter besser ausstatten und vernetzen
Der öffentliche Gesundheitsdienst nimmt in Gesundheitskrisen eine zentrale Rolle ein. Doch veraltete Technik sowie mangelnde Datenverbindungen und Schnittstellen zum klinischen und niedergelassenen Bereich schränkten seine Reaktionsfähigkeit in der Covid-19-Pandemie ein. Es bedarf einer strukturellen Modernisierung und digitaler Datenaustauschsysteme zwischen allen Beteiligten, damit der öffentliche Gesundheitsdienst seine wichtige Rolle im Krisenfall ausfüllen kann.
4 Miteinander abstimmen, gemeinsam agieren
Im Katastrophenfall agieren Blaulichtorganisationen wie Feuerwehr, Rettungsdienst, Technisches Hilfswerk oder Polizei Hand in Hand. Solch eine Vernetzung und Koordination brauchen wir auch im Gesundheitssystem.
„Die fehlende Vernetzung und Koordination an den Schnittstellen zwischen den Sektoren und Fachbereichen führt immer wieder zu Reibungsverlusten und möglichen Versorgungslücken, vor allem außerhalb der COVID-19-Versorgung“, so die Studienautoren. „Je mehr es gelingt, ein gemeinsames Bewusstsein hinsichtlich des Zusammenspiels im gesamten Versorgungsgeschehen zu erreichen, desto größer die Resilienz des Gesamtsystems.“
5 Über Kommunikation Vertrauen schaffen
Unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern, kein klarer Kurs und Polarisierung in Talkshows: Die Kommunikation über das Pandemiegeschehen führte für einen Teil der Bevölkerung zum Vertrauensverlust. Eine offene und klare Kommunikation ist in Krisen wichtig. Heißt: Gesichertes und ungesichertes Wissen klar voneinander abgrenzen; den Gewissheitsgrad bestimmter Ausgangspositionen offen kommunizieren. Und es heißt auch, mehreren Wissenschaftsdisziplinen öffentlich Gehör zu verschaffen: „Je mehr es gelingt, diversen Perspektiven einen Raum zu geben, desto eher wird die Öffentlichkeit angesichts veränderter Fakten- und Wissenslagen notwendige Meinungs- und Richtungswechsel mitvollziehen können“, so die Autoren der Studie.
6 Lagebild entwickeln, Manöverkritik machen
Für diese Krise fehlte die Erfahrung. Es war ein Lernen on the road. Für die Zukunft brauchen wir eine institutionalisierte Lagebildentwicklung und anschließende Manöverkritik. Wir müssen jetzt die Werkzeuge schaffen, damit im Krisenfall Akteure der Krisenvorsorge, Prävention, Medizin, Gesundheitswirtschaft und Public Health ein gemeinsames Lagebild entwickeln können.
7 Psychische Folgen aufarbeiten
Die Pandemie hat körperliche und seelische Spuren hinterlassen. Menschen konnten sich nicht von sterbenden Angehörigen verabschieden. Familien und Alleinlebende kamen im Lockdown an ihre Grenzen. Kinder und Jugendliche entwickelten psychische Symptome.
Ärzt:innen und Pflegende haben sich verausgabt und auch angesteckt. Die psychischen Folgen der Pandemie müssen aufgearbeitet werden, so ein Fazit der Studie: „Erfolgt diese Aufarbeitung nicht, können die Belastbarkeit und die Flexibilität der Gesellschaft im Falle einer neuen Krise durch ein direktes Umschalten in Rückzug und Erstarrung eingeschränkt sein.“
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